Veränderungen von Städten und in Städten geschehen durch gesellschaftliche Eingriffe. Sie sollten der Gesellschaft und der Wirtschaft dienen und diese nicht in ihren Kräften und Ressourcen erschöpfen. Dies erfolgreich zu regeln, ist Aufgabe der Planungshoheit der Kommunen (Art. 28 Grundgesetz), die im bundesdeutschen Planungssystem die kleinste und stärkste Einheit bildet, die das “Gegenstromprinzip” der Raumordnung nutzen kann und in diesem Rahmen, auch für die Baufreiheit der einzelnen (Art. 14 Grundgesetz), eine ungeheure Chance darstellt für die Veränderungen von Teilräumen. Diese Veränderungen zu gestalten, ist die Aufgabe aller, die sich der Erhaltung, Fortführung und innovativen Erneuerung von Stadt und Kulturlandschaft verpflichtet fühlen. Die Kenntnis der Geschichtlichkeit von Veränderungen ist die Voraussetzung dafür, notwendige Innovationen zu erkennen und qualitative Sprünge im Verhältnis zu vorhandenen Bedingungen anzustreben. Es gilt, mehrfach wiederholte und endlos differenzierte, aber längst nicht mehr erfolgreiche Grundmuster des Wandels zu ersetzen und ganzheitliche Lösungen als ortsbezogene Synthesen von Gebrauchs- und Gestaltwerten anzustreben.
Wir verändern Stadtlandschaft im Verhältnis zu den gesellschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten, die wir einrichten. Die dezentrale Entwicklung an unterschiedlichen Orten zur gleichen Zeit – innerhalb der Städte und innerhalb der Städtesysteme – erfordert die Konzentration aller Kräfte auf die Orte, die für den strukturellen Wandel “reif” sind. Wir brauchen eine Erneuerung von Lebensräumen, in denen die Menschen wieder viele gesellschaftliche Tätigkeitsfelder zusammenführen. Dies sind Räume mit Verflechtungen unterschiedlicher Dimension und Art. Der Ortsbezug von Verflechtungen in Kommunikation und Leistungsaustausch kann helfen die abstrakten, finanziellen Ersatzleistungen der Systemwelten (Versicherungen, Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe …), – die aufgrund globaler Einflüsse eingerichtet wurden, aber täglich weniger leistungsfähig werden-, wieder zu ersetzen und gesellschaftliche Zusammenhänge neu zu definieren.
Gemischte Nutzungen, Arbeitsplätze im räumlichen Zusammenhang mit dem Lebensraum integriert, das Wohnen, – als staatlich verbrieftes Grundrecht neben Bildung und Gesundheit -, gilt es dort zu erneuern, wo die strukturellen Bedingungen von Stadt auch noch andere Werte aufweisen: Symbole für Stadtkultur und Geschichtlichkeit, die ein Anknüpfen neuer Entwicklungen im Sinne einer verändernden Fortführung von Geschichte in der spätindustriellen Zeit anregen und zugleich die Tiefe der vorausgegangenen Phasen von Entwicklung – als Orientierung für die Hinwendung zu Neuem – in der kollektiven Erinnerung wach halten.
Architektur und Städtebau sind Vermittler und Träger dieser Aufgaben. Einzelne Orte bilden die Voraussetzungen für die gesuchten Synthesen in Kernen und Rändern von Städten und Regionen. Mittels Forschung gilt es, neues Handlungswissen aufzubauen, da altes Handlungswissen obsolete Muster der industriellen Konzentration von Nutzungen bisher nur reproduziert hat und den Herausforderungen zum Handeln nicht mehr genügt. Die Integration von Forschung in Planung, Städtebau und Architektur fordert, in der Lehre ein neues Verständnis der Verpflichtung von kulturellem Erbe an die Generation heranzutragen, die den Strukturwandel in Gesellschaft, Ökonomie und Technologie bis zum Jahr 2050 und darüber hinaus tragen muss.
Der von mir im Oktober 2023 für Leben und Lehre wieder gewählte Ort Aachen steht für eine fortlaufende Besinnung auf eine notwendige Aufklärung, d.h. eine kontinuierliche Entwicklung unterschiedlicher Arten von Wissen, im Kontext einer innovativen Praxis der Zusammenführung von Design, Architektur, Freiraumgestaltung, Kunst und Forschung, die als “schaffende Professionen” gemeinsam einen eigenen Wert entfalten müssen in ihrer Anwendung als Raum- und Gestalt-bildende Wissenschaften.
Andrea Haase – 7. März 2024
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